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Venedig-Fahrer

Verantwortlicher Autor: Theo Goumas München/Venedig, 09.11.2024, 20:28 Uhr
Presse-Ressort von: Theodoros Goumas Bericht 3037x gelesen

München/Venedig [ENA] Italien ist seit dem Wirtschaftswunderjahrzehnt, den 1950er Jahren, das Sehnsuchtsziel schlechthin. Es war das erste Fernreiseziel für viele nördlich der Alpen und es gibt legendäre Geschichten, wie man damals mit dem ersten motorisierten Untersatz, meistens ein VW-Käfer, über die Alpen gefahren ist. Im Laufe der Zeit hat die Alpenüberquerung noch weitere Formen dazugewonnen: zu Fuß, per Rad, Bahn oder Flieger.

Diese Sehnsucht spiegelt sich auch in vielen Liedern wider, die entweder das Thema Italien behandeln oder deren Musik italienisch angehaucht ist. So mancher italienische Künstler ist zuerst bei uns bekannt und berühmt geworden und erst danach in seinem Heimatland. Und überhaupt ist alles, was mit Italien zu tun hat, bei uns sehr beliebt: Musik, Filme, Mode, Autos, Essen, Getränke, etc. Und die Toskana-Fraktion besitzt zum Teil Anwesen und Ländereien im Sehnsuchtsland.

Einer der ersten oder vielleicht der Erste, der sich etwas Außergewöhnliches getraut hat, ist Ludwig Graßler, der in seinem 1977 erschienenem Buch „Zu Fuß über die Alpen: Der Traumpfad von München nach Venedig“, seine Wanderung vom Marienplatz erzählt. Das Buch wurde später verfilmt und hat sehr viele Leute dazu gebracht, diesen Weg in 28 Etappen zu Fuß zu gehen. Gestartet wird immer noch vom Marienplatz und bis vor einigen Jahren, hat Ludwig Graßler die Venediggeher persönlich getroffen und ihnen alles Gute auf dem Weg gewünscht.

Eine weitere, schnellere und beliebtere Methode über die Alpen nach Venedig zu gelangen, ist per Rad. Profis schaffen die Distanz in zwei Tagen, Amateure brauchen etwa eine Woche. Wenn man etwas von der Reise haben möchte, fährt man auch länger in kürzeren Etappen. Besonders beliebt ist die Alpe-Adria-Strecke, die südlich der Mozartstadt Salzburg beginnt, aber nicht nach Venedig, sondern nach Grado ans Meer führt. Die Strecke ist in acht Etappen unterteilt und man muss noch ein bis zwei Tage bis Salzburg (von München aus) dazurechnen. Infos und Pläne gibt es auf Komoot, der offiziellen und weiteren Webseiten und in Reiseführern.

Die Strecke verläuft von Salzburg über Bischofshofen, Bad Gastein, Spittal an der Drau, Villach, Tarvis, Venzone, Udine und von dort nach Grado. Kurz nach Bad Gastein endet der Weg und man muss von Böckstein nach Mallnitz den Zug durch den Berg nehmen. Die Fahrt dauert nur elf Minuten, da aber die Plätze für Räder begrenzt sind, sollte man sich rechtzeitig um einen Fahrschein kümmern. Für viele ist der schönste Teil, die alte Bahntrasse, die nach Villach anfängt und bis Venzone führt. Man fährt spektakulär auf einem bestens ausgebauten Radweg über sehr viele Brücken und durch sehr viele Tunnel und durch einige Dörfer und Orte.

Man kann aber einen leicht anderen Weg nehmen, der nicht wirklich zu empfehlen ist, wie der Schreiber dieses Textes feststellen musste. Nach Salzburg fährt man nicht nach Bad Gastein, sondern Richtung Eben im Pongau und von da weiter gen Süden Richtung Gmünd und Spittal an der Drau, wo man auf dem Alpe-Adria-Radweg trifft. Die Probleme bei dieser Variante sind: zwei sehr lange Fahrten die Berge hoch, die erste 17km und die zweite 5,2km, keine Infrastruktur auf langer Strecke (keine Hotels, Restaurants, Tankstellen, Gaststätten, etc.), zumindest keine außerhalb der Saison (Frühjahr und Herbst).

Man sollte sich vorher schlau machen, wo, wann, was offen hat und rechtzeitig sein Zimmer buchen und aufgrund des Schwierigkeitsgrades, sollten die Etappen kurz ausfallen. Sonst fährt man in Salzburg in der Früh los und die Nacht bricht über einem herein, wenn man immer noch mit der 17km langen Steigung kämpft und die nächste offene Pension erst viele Kilometer weiter in St. Gertrauden ist. Und wenn man da abgekämpft ankommt, muss man auch feststellen, dass es nichts zu essen gibt.

Da erbarmt sich die ältere Hausdame und bereitet belegte Semmeln zu, damit der Radler nicht auf der Treppe nach oben zu seinem Zimmer abkratzt. Das Frühstück ist auch recht üppig und man wird dazu ermuntert, belegte Semmeln mit auf dem Weg zu nehmen. Die Räder parkt man in der abgeschlossenen Garage, denn die ältere Dame hat ihr Auto vor Jahren verkauft und somit steht die Garage leer.

Wer Lust hat, kann in Villach etwas länger bleiben, denn die Stadt ist wunderschön und in der Umgebung gibt es mehrere Seen, wie den Ossiacher und den Faaker See. Udo Jürgens-Fans werden mit Freude feststellen, dass es in Villach einen Udo-Jürgens-Platz gibt, aber vor Ort erinnert nichts an den großen Musiker. Es gibt weder Statue noch Tafel und der Platz ist klein und öde.

Wer keine Lust auf Steigungen hat, kann von Villach den Zug nach Ugovizza-Valbruna nehmen und sich somit knappe 40km Steigung sparen. Ab dem Bahnhof Ugovizza-Valbruna geht’s meistens bergab auf der alten Bahnstrecke. Hier fährt man sehr lange auf gut ausgebautem Radweg, über sehr viele Brücken und durch mehrere Tunnel, manche davon mit guter, manche mit schlechter oder gar keiner Beleuchtung. Lichter sind hier ein Muss.

Andere Strecken über die Alpen, die man nehmen kann, ist überm Achensee, Innsbruck, Brenner, Bozen, Trient und Padua nach Venedig. Auch hier fährt man lange auf Radwegen, aber es gibt auch hier ein paar brutale Steigungen, wie die zwischen Innsbruck und Patsch und die etwa 10km den Brennerpass hinauf. Ab da geht’s bergab. Auch diese Strecke ist wunderschön und man trifft einige, die auf demselben Weg nach Venedig sind.

Eine weitere Variante wäre über Kufstein, Zell am See, Lienz und Belluno. Auch hier gibt es zum Teil sehr hohe Anstiege, aber die Natur entschädigt, denn man kommt an einigen Seen vorbei, wie dem Zeller See oder den Lago di Santa Croce. An vielen bekannten Skiorten, wie Kaprun, kommt man auch vorbei. Es lohnt sich also, kleinere Etappen zu planen, um so viel möglich von den Orten und der Natur zu sehen.

Im Frühjahr sollte man es vermeiden zu fahren, denn auf den Bergen liegt Schnee. Das gleiche gilt für Juni. Wenn im Tal die Sonne scheint und es warm ist, ist so mancher Pass noch zu und es ist bitterkalt. Erst ab Juli kann man es wagen. Vielen wird es, gerade bei Steigungen, zu heiß. Da kann man schummeln und den Zug nehmen, falls eine Bahnstrecke entlang verläuft, oder man unternimmt die Reise im Herbst, wenn man eine sonnige Woche erwischt. Der Schreiber musste den ersten Versuch überm Brenner Anfang Oktober aufgrund schlechten Wetters (Schnee und Regen) abbrechen und nahm den Zug vom Brenner zurück. Der zweite Versuch gelang Ende Oktober/Anfang November, bei Nebel in der Früh und Sonnenschein später am Morgen.

Wer mehr Zeit zur Verfügung hat, der kann in Venedig die Fähre nach Griechenland nehmen und entweder in Igoumenitsa (so wie der Schreiber) oder in Patras aussteigen und Griechenland erkunden. Pech sollte man hoffentlich nicht haben, denn wenn dichter Nebel herrscht, wird der Hafen zugesperrt und man wartet ewig auf die Fähre. So kann ein ganzer Tag verloren gehen und man kommt erst weit nach Mitternacht oder im Morgengrauen an.

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