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Ein Lehrer in Saudi - Teil 5

Verantwortlicher Autor: Theo Goumas Riad, 13.08.2023, 14:36 Uhr
Presse-Ressort von: Theodoros Goumas Bericht 5834x gelesen

Riad [ENA] Ein Lehrer beschließt, das von der Wirtschaftskrise gebeutelte Europa für eine Zeitlang den Rücken zu kehren und sein Glück in Saudi-Arabien zu suchen. Er bewirbt sich als Englischlehrer und nach vielen Absagen, kommt doch noch eine Zusage, allerdings mit Vitamin B. Das ist der Beginn einer wunderbaren Reise in ein verschlossenes Land, das kaum jemand kennt. Eine wahre Geschichte in Teilen erzählt. Teil 5 der Saga.

Kurz vorm Aussteigen aus Anes’ Auto fragte ich ihm ob er so gegen 14 Uhr kommen könnte um mich abzuholen. Ich würde gerne die Altstadt sehen. Außerdem brauchte ich Geld und eine SIM-Karte. Seine Antwort war ausweichend-diplomatisch und sein letztes Wort „Inshallah“ – so Gott will. Das ist etwas was man hier öfters hört. Anders als bei uns, wo ganze Generationen schon im Kindergarten einen und denselben Spruch lernen und damit aufwachsen: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“ scheint hier die Devise zu sein: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe gern auf morgen!“ „Bukra“ – morgen, ist ein weiteres Lieblingswort der hiesigen Bevölkerung.

Da mir klar war, dass Anes nie und nimmer um 14 Uhr kommen würde, brauchte ich einen Plan. Ich schlief erstmal lange und wartete auf seinen Anruf. In der Zwischenzeit holte ich mein iPad hervor und öffnete den Lonely Planet Reiseführer und ging zum Kapitel Riad. Unter ‚Sights’ standen da ganze vier Sachen! Toll, es gibt eine Burg, die wollte ich mir anschauen. Auf der kleinen Straßenkarte entdeckte ich auch einen Markt, eine Moschee, einen Uhrturm, etc. Die Frage ist, wie komme ich dahin? Anes rief an und meinte, dass es länger dauern wird, weil er zur Bank muss Geld abzuheben. Die Bank macht aber später auf und er wüsste nicht wie viele Leute vor ihm da sein werden. Übersetzt heißt das, er kommt so gegen Abend.

Also ging ich erstmal runter zur Lobby frühstücken. Da es in Saudi-Arabien keinen ÖPNV gibt, muss man ein Taxi nehmen falls man kein eigenes Auto besitzt. Es ist tatsächlich wahr, hier gibt es keine öffentlichen Verkehrsmittel. Da die Leute wohlhabend über reich bis superreich sind und jeder mindestens ein Auto besitzt, braucht es auch keine U-Bahn oder Tram. Von Stadt zu Stadt fliegt man, weil die Entfernungen zu groß und die Flüge sehr günstig sind. Man kann auch mit dem Überlandbus fahren, was ewig dauert, jedoch sehr günstig ist. Es gibt nur eine einzige Zugstrecke, von Riad nach Dammam im Osten. Weitere sind geplant. Auch eine U-Bahn sei in Riad in Planung (in der Zwischenzeit gebaut).

Ich ging vors Hotel und schon kam ein Taxi um die Ecke. Farbe: weiß – was denn sonst. Der Fahrer hielt an und machte das Beifahrerfenster runter. Ob er Englisch spricht, wollte ich von ihm wissen. Ob ich Arabisch spreche wollte er von mir wissen. Zeichensprache vielleicht? Probieren wir es damit. Ich holte mein iPad heraus und zeigte ihm wohin ich wollte. Er kannte es nicht. Oha! Da war ich überrascht! Irgendetwas in der Nähe der Burg kannte er auch nicht. Ich las ihm den Namen des Stadtteiles vor, aber damit konnte er auch nichts anfangen. Ich holte den Herrn vom Empfang der ihm das ganze übersetzte.

Der Herr drehte sich mit dem Kopf schüttelnd zu mir um und meinte, dass die Taxifahrer sich hier nicht wirklich auskennen, weil sich alles jeden Tag ändert. Klar, versteh ich, aber die Burg steht seit Jahrhunderten am selben Platz. Dann rief der Empfangsherr Anes an und alles wurde kompliziert. „Warum möchtest du in die Stadt?“ fragte er. „Soll ich den ganzen Tag auf dich warten?“ sagte ich. „Es ist nicht ganz ungefährlich alleine in die Stadt zu gehen“ sagte er. „Ach quatsch! Ich möchte in die Altstadt, sag das bitte dem Fahrer. Und unterwegs brauche ich einen Bankomaten. Falls er den Weg nicht kennt, soll er danach fragen oder mir einen Kollegen besorgen der ihn kennt“ sagte ich.

Anes sprach mit dem Fahrer und nach zwei Minuten reichte mir der Fahrer das Handy wieder. Anes meinte, er hätte mit dem Fahrer ausgemacht, dass er mich zum Nationalmuseum fährt. „Wieso das?“ „Weil es sicherer ist und er es kennt.“ Mein Gott! Ich stieg ein und die Fahrt begann. Wir fuhren und fuhren und fuhren. Irgendwo sah ich eine Bank und schrie „Stopp“. Der Fahrer hielt an, ich sprang raus, Gott sei dank war das Menü auf Englisch, drückte auf ein paar Tasten und raus kamen Banknoten mit komischen Zeichen die ich nicht verstand. Warum heißt es immer unsere Schrift sei lateinisch und die Zahlen arabisch? 0 = ٠ 1 = ١ 2 = ٢ 3 = ٣ 4 = ٤ 5 = ٥ 6 = ٦ 7 = ٧ 8 = ٨ 9 = ٩

Alles klar? Wunderbar! Gott sei dank sind die uns bekannten Zahlen auf der anderen Seite der Banknoten bedruckt. Wir fuhren weiter und ich schoß Bilder vom fahrenden Taxi aus. Ob der Fahrer jetzt dachte ich wäre bescheuert, war mir egal. Irgendwann kamen wir am Museum an. Ich fragte nach dem Preis und wir verhandelten darüber. Obwohl es einen Taxameter gibt, zahlt man nie den darauf stehenden Preis. Ich ging zum Eingang und die Tür war zu. Abgesperrt. Super! Dann hörte ich Kinderstimmen von irgendwoher und folgte denen. Am Ende des Gebäudes ging ein langer Weg nach hinten und endete vor einer großen Glastür. Einige Familien schreiteten diesen Weg und ich hinterher. Tatsächlich, der Eingang des Museums. Das Ding ist riesig!

Ich bekam einen kleinen Reiseführer auf Englisch und mir wurde erklärt was ich wo sehen kann. Angefangen von der Urzeit bis in die Moderne kann man alles nicht nur über Saudi-Arabien, sondern auch über die erweiterte Gegend lernen. Im Museum war nicht viel los, und es waren ausschließlich Familien da. Väter die Kinderwägen schiebten oder die ihre Sprösslinge auf den Schultern trugen. Sehr löblich! Kurz vom Ausgang gab es noch eine Sonderaustellung über die Königsfamilie. Die Sicherheitsbeamten sprangen sofort zu mir und boten mir allerlei Infomaterial und führten mich in den Saal. Einer spielte sogar den Fremdenführer und erklärte mir alles.

Draußen ging es durch verschiedene Gärten und anderen Hallen (Autos, etc) weiter. Da ich mir aber unbedingt die Burg ansehen wollte, nahm ich mein iPad aus der Tasche und schlug die Seite im Lonely Planet Reiseführer mit dem Stadtplan auf. Schien nicht weit zu sein. Auch nicht recht kompliziert. Leider fand ich nie zur Burg, denn a) der Plan ist nicht akkurat, b) ich fand keinen der Englisch oder eine andere Sprache konnte und c) kann keiner konnte mit dem was ich suchte etwas anfangen. Frustriert stieg ich in ein Taxi, zückte die Visitenkarte des Hotels und lies mich nach Hause kutschieren.

Da ich Hunger hatte, bestellte mir das Hotel etwas zu essen. Darauf musste ich allerdings 2 Stunden warten. Warum? Es war ca. eine halbe Stunde vor Betenszeit und es wurde nichts mehr gekocht. Dann schloß der Laden für eine halbe Stunde und als er wieder aufmachte, musste er mit den Bestellungen nachkommen und auch noch liefern. Nach unendlichen zwei Stunden kam mein Essen und Anes war auch da. Es war schon dunkel, das letzte Gebet hinter uns und den Abend konnte nichts mehr stören. Wir fuhren zu einem Schlüsseldienst und dort sah ich einen arabischen Nerd wie aus dem Bilderbuch. Die Straße war voller Geschäfte und in der Mitte verlief eine Verkehrsinsel mit Palmen, darüber der Mond. Ein Traum!

Dann gingen wir in einen Supermarkt. Irgendwann ging ich mit meinen Sachen gedankenverloren zur Kasse und bemerkte, dass der Kassierer eine voll verschleierte Frau war. Sie sagte aufgeregt etwas auf Arabisch und zeigte mit dem Finger hinter ihr. Ihr Schrei holte mich aus meinen Gedanken heraus. Andere Gedanken von Kerkern kamen mir in den Sinn. Also ging ich brav zur nächsten Kasse wo wieder eine Frau dahinter stand. Auch hier die gleiche Szene. Als ich mich umdrehe sah ich Anes lachen. „Was ist los?“ fragte ich. „Nur Familien, Frauen oder Ehepaare dürfen zu denen. Wir Männer müssen da rüber zu den männlichen Kassierern“.

Von dort ging es zu einer Straße mit Restaurants, weil Anes etwas essen wollte. Dort bemerkte ich, dass fast jedes Restaurant zwei Eingänge hat. Einen für Männer und einen für Frauen, Paare oder Familien. Das wird hier sehr ernst genommen. Darüber schreibe ich ein anderes Mal. Von dort ging es zu einem Geschäft, ähnlich dem Saturn oder Media Markt. Ich wusste schon, dass hier alles günstiger ist, jetzt fällt mir auf wie günstig so manche Sachen sind. Blackberries z.B. um die Hälfte günstiger. Auch alles andere ist zu einem guten Preis zu haben. Klar, es gibt hier keine MwSt. Das macht einen großen Unterschied ob ein iPhone 5 oder 5S über 650 Euro oder nur 500 kostet. Dort bekam ich auch meine SIM-Karte mit Guthaben.

Während Anes mit dem Verkäufer sprach und alles organisierte, las ich mich durch die Broschüre. Schon mal was von ‚Postpaid’ gehört? Man bezahlt für die getätigten Anrufe hinterher und muss kein Geld vorstrecken. Wie weit voraus uns die Araber doch sind! Nach einer langen Fahrt durch das nächtliche Riad kamen wir im Hotel an. Mein Philippino drückte mir einen Laptop und eine Kamera in die Hand, die er für zwei Kollegen gekauft hat und lässt mich aufs Zimmer zum Packen gehen. Um 3 Uhr morgens kommt er um mich abzuholen. Flug geht um 6 Uhr.

Als wir um kurz vor 4 in der Früh über die Autobahn bretterten, fuhren wir an einem Gebäudekomplex vorbei der sich ewig erstreckte. Es war eine der Universitäten und zugleich die größte des Landes. Da es auch an der Uni Geschlechtertrennung gibt, gibt es jedes Gebäude zwei Mal, deswegen ist alles so groß. Außerdem gibt es alles was das Herz begehrt: Sportanlagen, Schwimmbäder, Restaurants, Cafés, Bibliotheken, Geschäfte, etc. Eine ganze Stadt. Am Flughafen angekommen, gab ich meine Reisetasche ab, fragte vom welchen Gate mein Flieger nach Ar’ar ging, schaute kurz auf dem Zettel den ich bei der Gepäckabgabe bekam und sah, dass da nicht Ar’ar draufstand. Da ich aber zu müde war, wurde mir nicht ganz bewusst was dies bedeutete.

Anes wartete in einer Sitzecke auf mich und hielt zwei Geldbündel in den Händen. Er zählte ganz offen vor allen Leuten die Geldscheine und reichte sie mir zum nochmals Zählen. Spinnt der Philippino? Aber dann dachte ich mir, Saudi ist das wahrscheinlich sicherste Land der Erde. Also zählte ich es brav und steckte es ein. Wir verabschieden uns und ich ging durch die Kontrollen. Die wilden Zeiten kommen noch, sagte mir mein Gefühl. Und wie sie kommen würden! Das Abenteuer hatte noch gar nicht erst richtig angefangen. Fortsetzung folgt.

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