Dienstag, 23.04.2024 13:47 Uhr

Ein Lehrer in Saudi - Teil 3

Verantwortlicher Autor: Theo Goumas Riad, 13.08.2023, 12:54 Uhr
Presse-Ressort von: Theodoros Goumas Bericht 10479x gelesen

Riad [ENA] Ein Lehrer beschließt, das von der Wirtschaftskrise gebeutelte Europa für eine Zeitlang den Rücken zu kehren und sein Glück in Saudi-Arabien zu suchen. Er bewirbt sich als Englischlehrer und nach vielen Absagen, kommt doch noch eine Zusage, allerdings mit Vitamin B. Das ist der Beginn einer wunderbaren Reise in ein verschlossenes Land, das kaum jemand kennt. Eine wahre Geschichte in Teilen erzählt. Teil 3 der Saga.

Nach ich weiß nicht wie vielen Stunden wachte ich vom Gesang des Muezzin langsam auf. Ich öffnete meine Augen und sah fast nichts. Im Zimmer war es sehr dunkel. Wie lange hatte ich denn geschlafen? 24 Stunden etwa? War es morgen? Ich fühlte mich viel zu müde um aufzustehen und blieb im Bett liegen. Die Stimme des Muezzins wirkte einschläfernd und entführte mich wieder ins Reich des Morpheus. Irgendwann riss mich das Läuten des Telefons aus dem Schlaf. Willkommen im Jahre 1435. Kein Witz! Hier gibt es eine andere Zeitrechnung, nach Mohamed dem Propheten. Es ist Anes mein Filipino. Er meint, dass er es nicht rechtzeitig schafft mich abzuholen und statt 16 Uhr kommt er so gegen 18:30 Uhr. Kein Problem, umso besser.

Er ruft noch mal an, sagte er und legte auf. Ich ging ins Bad und fühlte mich auf einmal klein in dem großen Raum. Das Bad wirkte so leer. Rechts war das Waschbecken mit Spiegel, vor mir links die Kloschüssel, gegenüber die Dusche. Später bemerkte ich, dass es kein Klopapier gab und mir kam eine von Harald Schmidts Kolumnen für den Focus in den Sinn. Darin beschreibt er einen Geschäftsreisenden der für ein großes Unternehmen mit Klangvollem Namen ständig auf Achse ist und er sich in den Lounges der Flughäfen dieser Welt wohler fühlt als bei sich zu Hause. Beim Besuch einer Flughafentoilette versucht er alles mögliche zu tun um nicht schmutzig zu werden und gleichzeitig vieles auf einmal zu machen, wie z.B. auf E-Mails zu antworten.

Er zwängt seinen Aktenkoffer irgendwie zwischen den Beinen damit er vom schmutzigen Boden nicht versaut wird, etc. Irgendwann, nach getanem Geschäft und als es schon zu spät ist, lächelt ihn der Karton der Klorolle entgegen. Bei mir gab es nicht mal einen Karton zu sehen. Dafür einen Duschkopf an der Wand. Aha! So geht das hier also. Andere Länder, andere Sitten. Oder wie mein Freund Saki es nennt: Das sanfte arabische Klopapier. Ich ging wieder schlafen und wachte etwa eine Stunde später auf. Anes ist wieder am Telefon und meint, dass es noch ein wenig später würde. Kein Problem, dachte ich mir. Von mir aus braucht er heute nicht zu kommen. Morgen ist auch ein Tag.

Ich ging zum Fenster und versuchte den Vorhang aufzumachen. Ging nicht. Spinnen die Araber? Dann sah ich ein paar Kordeln links und rechts. Ich zog an der einen und der dünne Vorhang ging zur Seite. Ich zog an der Anderen und der Dicke öffnete sich. Dazwischen aber gab es noch eine Plastikplane die das Licht draußen hält. Ich zog an der dritten Kordel und das Plastikding ging nach oben. Endlich Licht! Merkte aber, dass a) das Fenster klein und b) das Glass milchig war. Der 40 Zoll Fernseher war an einer Digitalbox angeschlossen und ich brauchte ein paar Minuten um damit zurecht zu kommen. Ich zappte durch die gut 900 Kanäle (unglaublich!) und musste feststellen, dass fast alle entweder aus dem Arabischen bzw. Afrikanischen Raum waren.

Ein paar Türkische Sender waren dabei. Sogar Euronews, CNN und BBC waren auf Arabisch. Ich schaltete die Glotze wieder aus, nahm den Lift und ging nach unten. Der Herr am Empfang war derselbe wie am morgen und begrüßte mich herzlich. Draußen empfangen mich die langsam untergehende Sonne und ein kühler Wind. Es ist tatsächlich frisch. Kaum zu glauben. Man denkt immer hier sei immer Sommer. Pustekuchen! Es ist kalt! Vor mir befand sich eine extrabreite Straße mit Verkehrsinsel in der Mitte und auf der gut drei Autos nebeneinander in jede Richtung passen. Gegenüber war ein unbebautes Grundstück und dahinter befand sich eine breite Straße mit Hotels wie meines.

Zur Linken befanden sich ein Bürogebäude und ein paar der größeren Hotels die ich am morgen sah. Zur Rechten ging das unbebaute Grundstück in die Länge und auf der Seite meines Hotels sah ich weiter Neonlichter die auf Hotels schließen lassen. Auf dem Gehweg der anderen Straßenseite liefen ein paar Jogger der Abendsonne entgegen und viele Frauen im Ninjalook gingen Spazieren. Dass die Araber keinen Sport im Freien machen und keine kurzen Hosen tragen scheint hiermit ein Märchen zu sein. Dass die Frauen nie ohne Männerbegleitung aus dem Haus gehen, auch. Einige waren in Gruppen und manche alleine unterwegs. Mir fiel ein, dass ich in der Früh einen kleinen Supermarkt gesehen hatte und machte mich in dessen Richtung.

Ich hatte keine Rial, dafür aber Kreditkarten dabei. Ich betrat den Laden und sah zwei asiatische Angestellte. Fragte ob die Englisch können. Konnten sie nicht. Winkte mit meiner Kreditkarte, gaben mir zu verstehen, dass die nicht auf Plastikgeld stehen. ATM? Verstanden sie nicht. Bank? Ein hoffnungsvolles Glitzern in deren Augen machte sich breit. Ich schnappte mir einen Kuli und ein Stück Papier von der Theke und zeichnete einen Bankautomaten. Einer der beiden malte ein großes X auf meine Zeichnung, was bedeutete, dass es keinen gibt. Mist! Mit knurrenden Magen ging es zurück zum Hotel. Ich bog irgendwo falsch ab und kam an einer Moschee vorbei. Ein paar auf der Straße spielende Kinder schauten mich verwundert an und kamen auf mich zu.

Eines der Kinder sprach ein paar Brocken Englisch und fragte nach meinen Namen und Herkunft. Mit Greece konnte der Junge nichts anfangen, aber als ich Yunan, also Griechenland auf Arabisch sagte, entfaltete sich bei allen ein Lächeln bis zu den Ohren. Ich nahm die Visitenkarte des Hotels aus meiner Tasche und zeige sie den Kindern. Sie konnten mir den Weg nicht erklären, brachten mich aber bis vor die Hoteltür. Kaum drin, schaute mich der Herr am Empfang an und wedelte mit dem Telefonhörer. Anes war dran. So gegen 20 Uhr wird er kommen, sagt er. Ich darf im Hotel essen und trinken was ich will, alles auf Kosten der Firma. Gut. Ein Sandwich und einen Tee, bitte.

Um 20:30 Uhr klopfte es an der Zimmertür. Der kleinwüchsige Filipino war endlich da. Wir stiegen in sein Auto ein und fuhren eine gute halbe Stunde durch die Gegend. Er raste über die Autobahn als ob der Teufel hinter ihm her wäre, er überholte mal links, mal rechts und ich fühlte mich wie im PS-Spiel Burnout. Irgendwann bog er ab, es ging durch bewohntes Gebiet und irgendwann erreichten wir eine Straße mit Geschäften. Er parkte und wir gingen ein paar Schritte. Das Restaurant war groß, sah auf dem ersten Blick wie ein Schnellimbiss aus, weil es Kassen hatte vom Schlag eines McDoof oder eine der anderen Burgerbratereien, war aber alles andere als ein Schnellrestaurant.

Er bestellte etwas für uns beide, danach gingen wir ins Bad uns die Hände waschen. Auf dem Weg ins Bad bemerkte ich keine Stühle und Tische. Stattdessen war entlang der Wand ein Bereich wie ein Podium, ca. halben Meter vom Fußboden hoch und mit grünem Teppich ausgelegt. Darauf saßen Männer in kleinen Gruppen und aßen. Nach dem Händewaschen setzte ich mich zwischen zwei Gruppen auf dem Boden, während Anes nach draußen zum telefonieren ging. Einer der Männer rechts von mir sprach mich irgendwann mal an und wir fingen ein Gespräch an. Irgendwann kam der Kellner und fragte was ich trinken möchte. Pepsi Light versteht er nicht ganz und bringt mir ein 7Up. Der Englisch sprechende Araber erklärte es ihm und sofort ist meine Pepsi da.

Irgendwann kam auch Anes und kurz darauf breitete ein Kellner einen Plastiktischbezug auf dem Boden aus. Dann kam auch das Essen. Reis mit Hähnchen in kleinen Stücken und etwas Gemüse. Dazu Fladenbrot und eine Flasche scharfer Soße. Gegessen wird mit den Fingern, Besteck gibt es keines. Ich war kurz davor meine Kamera oder mein BlackBerry zu zücken um das Essen und den Laden zu fotografieren, musste es mir leider verkneifen, weil ich den Eindruck hatte, jeder schaute auf uns und es kamen wieder Knastszenen aus ‚Im Juli’ und ‚Midnight Express’ in den Sinn. Mist!

Wir stiegen ins Auto ein und fuhren wieder eine halbe Stunde. Anes erzählte, dass es in Riad kaum alte Häuser gibt. Riad war noch vor ein paar Jahrzehnten ganz klein, hatte ich gelesen und ist boom-artig gewachsen. Das sagte auch mein Filipino. Und es wächst ständig weiter. Es wird überall gebaut und täglich ändert sich was. Wir fuhren zu einem der Wolkenkratzer der Stadt, in dem ein Hotel, ein paar Firmen, Cafés und Restaurants beherbergt sind und drehen dort eine Runde in dem Komplex. Auf dem Weg von den ganzen Gebäuden standen lauter Luxuskarossen. Hier sah ich zum ersten Mal in meinem Leben weiße Ferraris.

Was habt ihr eigentlich für eine Macke mit weißen Autos? Fragte ich. Weiß ist schick, hält im Sommer die Hitze fern, darauf sieht man den Wüstensand nicht so stark, etc. Praktisch, dachte ich mir. Wir fuhren weiter zu einer Straße mit Cafés, Restaurants und verschiedenen Geschäften. Auf insgesamt sechs Fahrspuren war um Mitternacht die Hölle los. Es handelte sich um den Corso der Stadt. Hier kamen alle um sich zu zeigen und um ihre PS spazieren zu fahren. Eigenartig, meint Anes. Hier herrscht zwar immer Verkehr, aber Stop and Go um die Uhrzeit? Schon bald fanden wir die Ursache heraus. Polizeiblockade. Beide, normale und Religionspolizei standen mitten auf der Straße und kontrollierten die Autos auf Papiere und Zucht und Ordnung.

Ich zeigte meinen Reisepass samt Visum. Yunani? Fragte der Polizist und lächelte bis über beide Ohren. Ja, Grieche, sage ich und lächelte mindestens so breit wie er. Wir durften weiterfahren und parkten ein Stückchen weiter vor einem Café. Obwohl es nach Mitternacht war, war es noch angenehm und die Leute saßen draußen. Wieder etwas das nicht stimmt. Mir wurde erzählt, dass es in diesem Land keine Cafés gibt wie wir sie kennen und man setzt sich nie draußen hin, weil es draußen keine Tische gibt. Gelogen! Wir fuhren an Starbucks und ein paar anderen Ketten und Arabischen Cafés vorbei und viele hatten Tische auf dem Bürgersteig. Wir gingen in ein Café rein und bestellen uns Tee und Kuchen.

Um uns herum saßen lauter Araber in ihren Gewändern und unterhielten, lachten und amüsierten sich. Wie in einem Café in der westlichen Welt. Nur der Anblick war etwas befremdlich. Eine knappe Dreiviertelstunde später machte der Wirt die Lichter aus und wir mussten gehen. Anes fuhr mich noch ein wenig durch die Gegend und schließlich ins Hotel. Dort angekommen fand ich heraus, dass Viber nicht funktioniert. Zensur. „The Hand“, wie es im Buch ‚Alif the Unseen’ heißt. Im Bett rasten die Bilder, Eindrücke und Gefühle der letzten 48 Stunden wie wild vor meinen Augen. Irgendwie fühlte ich mich sehr eigenartig. Es war eine mir fremde Welt.

Zum ersten Mal in meinem Leben befand ich mich in einem Land dessen Schrift ich nicht lesen konnte. Ich bin schon mein ganzes Leben Ausländer, egal wo ich mich befinde, damit habe ich kein Problem, aber hier war es noch mal anders. Das fiel mir in Ägypten auf. Als ich im Flughafen auf die Toilette wollte, öffnete man mir die Tür, mir wurde der Weg bis zum Klosett gezeigt, Seife, Papiertücher und Parfüm gereicht. Wie bei Harrods in London. Alle waren extrem freundlich und hießen mich im Land willkommen. Die Gedanken und Bilder rasten weiter und ich ertrank in Gefühlen und schlief ein. Fortsetzung folgt.

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