Donnerstag, 28.03.2024 12:24 Uhr

Ein Lehrer in Saudi - Teil 1

Verantwortlicher Autor: Theo Goumas ATH, CAI, RUI, 13.08.2023, 11:42 Uhr
Presse-Ressort von: Theodoros Goumas Bericht 13070x gelesen

ATH, CAI, RUI [ENA] Ein Lehrer beschließt, das von der Wirtschaftskrise gebeutelte Europa für eine Zeitlang den Rücken zu kehren und sein Glück in Saudi-Arabien zu suchen. Er bewirbt sich als Englischlehrer und nach vielen Absagen, kommt doch noch eine Zusage, allerdings mit Vitamin B. Das ist der Beginn einer wunderbaren Reise in ein verschlossenes Land, das kaum jemand kennt. Eine wahre Geschichte in Teilen erzählt.

Lawrence war gestern, heute ist Theo ☺. Koffer abgegeben, durch die Passkontrolle gegangen, die Gefühle fahren Achterbahn und ich frage mich immer noch, ob ich das Richtige tue. Innerlich zerrissen, einerseits will ich diese Erfahrung unbedingt machen, andererseits macht mir all das Gelesene und Gehörte Angst. Lange habe ich mich auf diese Reise vorbereitet. Vor einem Jahr dachte ich wieder mal nach, wohin die Reise gehen sollte. Am Scheidepunkt angelangt, in vielerlei Hinsicht, machte ich mir an Weihnachten vor einem Jahr Gedanken wie mein Leben in Zukunft aussehen und sich entwickeln sollte. Eine Weltkarte wurde ausgebreitet und die Gedanken nahmen freien Lauf.

So manche Länder kamen nicht in Frage (zu weit weg, uninteressant, keine beruflichen Perspektiven, zu kalt, zu heiß, zu unsicher, usw.). Nach langem Grübeln legte ich einige Kriterien fest: nicht zu weit weg, gutes Klima, guter Verdienst, exotisch. Und so machte Saudi Arabien das Rennen. KSA, wie es eigentlich heißt klingt nach Orient, nach Verschlossenheit, nach Exotik, nach Abenteuer, nach Mystik, nach leckerem Essen und nach Düften. Aber auch nach strikter Lebensweise und extrem heißen Sommern. Egal. Dass es sich um ein verschlossenes Land handelt, reizt es einen umso mehr dieses Land zu erleben und kennenzulernen. Viele Infos findet man leider nicht.

In den ganzen Blogs liest man vieles. Vieles ist aber auch widersprüchlich und am Ende weiß man nicht was man glauben soll. Reiseführer gibt es kaum und Bilder gibt es noch weniger. Ich habe mir viele Bücher gekauft und etliche Blogs gelesen, nach einem Jahr bin ich endlich hier und muss feststellen, dass es doch anders ist, als ich es mir vorgestellt und überall gelesen habe. Vieles stimmt einfach nicht und das Land ist liberaler als man glaubt. Ein mulmiges Gefühl hatte ich und dachte mir, auf was lasse ich mich da ein und wäre es nicht besser das ganze abzublasen und daheim in Europa zu bleiben? Obwohl ich seit meiner Kindheit kreuz und quer durch Europa reise, ist dies mein erstes Mal überhaupt außerhalb des Kontinents.

Die Spannung stieg mit jedem Tag und besiegte die Angst in mir, einer Angst die ich für mich behalten und mit keinem geteilt habe. Nach einem mehrstündigen Flug über Kairo, komme ich um 3 Uhr morgens in Riad an. Die Reise nach Kairo war zwar nicht ganz wie ein innereuropäischer Flug, war jedoch nicht so außergewöhnlich. Unter den Fluggästen gab es Afrikaner, Araber, Europäer, Männer, Kinder und Frauen die nicht verschleiert waren. In der Wartehalle am Kairoer Flughafen änderte sich jedoch das Bild. Viele voll verschleierte Frauen saßen neben mir und ließen ihre Kinder spielen.

Als ich meinen Blick vom iPad erhob und schweifen ließ, merkte ich, dass a) ich der einzige Weiße war, b) die Frauen nicht von Männern begleitet wurden und c) nicht alle voll verschleiert waren. Somit schien die Mär von der verschleierten Frau in der schwarzen Abaya die nie ohne männliche Begleitung außer Haus geht wirklich eine Fantasie zu sein. Als die herumtobenden Kinder merkten, dass ich mich nicht mehr mit dem iPad befasste, kamen einige auf mich zu. Ein paar starrten mich an, wobei ich mir dachte, dass es ab jetzt so sein wird, und manche sagten mir etwas auf Arabisch. Da ich nichts verstand, antwortete ich auf Englisch, in der Hoffnung, dass eine der Mütter etwas verstehen würde. Die wiederum lächelten mir zu und sagten nichts.

Ein Griff in meinen Rucksack brachte eine große Tüte Gummibärchen hervor. Zuerst schauten die Kleinen zögerlich der Tüte samt Inhalt misstrauisch und argwöhnisch an, weil sie wahrscheinlich nicht wussten was Goldbären sind, doch nach anfänglichem Zögern nahm eines der Kinder die Tüte und rannte davon. Die anderen hinterher. Es wurde aber gerecht geteilt und die Mütter bedankten sich bei mir. Irgendwann stiegen wir in den Flughafenbus mit dem wir zum Flieger gebracht wurden. Im Flieger fiel mir sofort die Geschlechtertrennung auf. Männer vorne, Frauen hinten und auf dem Weg zur Toilette bemerkte ich, dass alle voll verschleiert waren. Die unfreundlichen Stewardessen waren jedoch westlich gekleidet und trugen nicht mal Kopftuch.

Vielleicht lag ihre Unfreundlichkeit an der späten Zeit, so gegen Mitternacht. Vielleicht waren sie müde und gereizt. Um 3 Uhr morgens kamen wir in Riad an. Mit Pass und Visum in der Hand ging es aus dem Flieger in den Bus und zum Flughafengebäude. Dort folgte ich allen anderen die zu scheinen wussten wohin es ging. Nach einem langen Gang bogen wir in eine Halle ein in der schon viele Menschen warteten. Darüber gab es drei Schilder: Re-entry, First-time-entry und irgendwas dazwischen was mir jetzt entfällt. Ich ging zur First-time-entry-Schlange und reihte mich ein. Mit den ganzen Horrorgeschichten die ich monatelang las, wagte ich kaum mich umzuschauen.

Irgendwas in mir sagte mir, dass falls ich jetzt eine falsche Bewegung mache oder jemanden anschaue, meinen Blick auf eine Frau werfe, sich ein Beamter auf mich stürzen, etwas auf Arabisch schreien und ich mich in einem Kerker wiederfinden würde. Szenen vom den Filmen Midnight Express – 12 Uhr Nachts, und Im Juli schossen mir durch den Kopf. Irgendwann traute ich mich umzuschauen und merkte wie schön der Flughafen doch war. Kein grauer Beton wie bei uns. Überall Marmor in verschiedenen Gelbtönen und eine freundliche Architektur. Nichts Tristes und Beklommenes das Depressionen hervorruft. Auf einmal ging es auf der anderen Seite der Halle schnell voran, dort wo hauptsächlich Saudis waren. Wir mussten warten. Auch hier Geschlechtertrennung.

Vor mir ein Italiener, hinter mir ein paar Spanier. Gott sei Dank war ich nicht alleine. Ich fing ein Gespräch mit dem Italiener auf Italienisch an, damit uns keiner verstand. Wir sprachen leise und schauten dem Treiben zu. Um uns herum waren lauter Asiaten (Inder, Bengalen, Pakistaner, Filipinos) und ein paar Afrikaner. Ein paar Reihen weiter standen junge Asiatinnen die wahrscheinlich als Hausmädchen arbeiten. Es ging alles schleppend voran und die Grenzbeamten tranken Tee und gingen hin und her. Irgendwann kapierten wir, dass das System nicht funktionierte und es deshalb dauerte. Ein Experte wurde gerufen, kam, machte etwas und es ging für ein paar Minuten weiter. Danach war das System wieder im Eimer.

Wenn man zum ersten Mal ins Königreich einreist, muss man seinen Pass samt Visum vorzeigen. Darüber hinaus wird ein Foto gemacht und die Finger gescannt. Dass die Iris auch gescannt wird, ist ein Märchen. Über eine Stunde in der Schlange und kaum vorwärts gekommen, bemerkte ich wie die Frauen schon durch die Kontrolle waren und um mich herum nur Männer standen. Nochmal 45 Minuten später winkte ein Grenzbeamter mich und den Italiener nach vorne. Wir durften an allen vorbei! Ich gab meinen Pass ab, meine Details wurden eingegeben, meine Finger gescannt und ein Foto wurde gemacht. Da versagte das System wieder und ich musste warten. Auf meine Frage ob ich fertig sei, kam eine unverständliche Antwort.

Vielleicht lag es auch an meiner Müdigkeit, dass ich nicht verstand was der Beamte sagte. Ich fragte „bitte?“ und bekam ein harsches „System down!“ als Antwort entgegengeschmettert. Oha! Willkommen in der Steinzeit, sagte mir mein Unterbewusstsein und am liebsten würde ich den nächsten Flug nach Hause nehmen. Ein paar Minuten später bekam ich meinen Pass und durfte durch die Kontrolle. Meine Reisetasche fand ich neben dem Gepäckband auf dem Boden. Auch gut. Dann musste mein Gepäck noch einmal gescannt werden ehe ich raus durfte.

Auf der anderen Seite wartete Anes, ein in Saudi-Arabien geborener Filipino, den meine Firma geschickt hatte mich abzuholen und sich um mich kümmern die ersten Tage kümmern sollte. Als wir zum Parkhaus gingen, sah ich zu 90% weiße Autos. Wir stiegen in einem weißen Hyundai ein und fuhren hinaus. Anes steuerte die erste Tankstelle an, die aber zu war. Kurz nach 5 Uhr in der Früh, Betenszeit, die erste von fünf. Willkommen in Saudi-Arabien, einem islamischen Königreich. Nicht nur in Bayern gehen die Uhren anders lieber Franz Josef! Fortsetzung folgt.

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